LUCA PISARONI singt die Titelpartie in Le nozze di Figaro

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Herr Pisaroni, in Ihrer frühen Biografie findet sich die Station Klagenfurter Stadttheater. Dort sangen Sie bereits 2001 Mozarts Figaro.

Luca Pisaroni: Das stimmt. Es war noch zu meiner Studienzeit am Konservatorium in Mailand, da absolvierte ich ein Vorsingen in Klagenfurt. Von der Intendanz kam danach die Frage: „Wollen Sie den Figaro bei uns singen?“ Und ich sagte natürlich ja! Es war nicht nur das allererste Mal, dass ich eine Hauptrolle sang, sondern überhaupt mein Operndebüt!

Wieweit war Ihnen persönlich schon zu Beginn des Studiums der Weg des Sängers bewusst?

Luca Pisaroni: Nun, ich beschäftige mich seit meinem achten Lebensjahr mit der Oper. Alles was ich in meiner Ausbildung tat, zielte auf diesen Beruf hin. Ich studierte Klavier, wollte aber niemals wirklich Pianist werden, sondern machte es, weil es für den Beruf des Sängers aus unterschiedlichen Gründen wichtig ist, auch dieses Instrument zu beherrschen.

Der Figaro gehört zu Ihren besonderen Leibrollen. Können Sie sich noch an den ersten Figaro erinnern, den Sie in einem Opernhaus hörten?

Luca Pisaroni: Es war Bryn Terfel an der Mailänder Scala im Jahr 1994 – eine Aufführung, die Riccardo Muti leitete, es sangen außerdem noch Barbara Frittoli und Simon Keenlyside. Terfel war einfach der Figaro meiner Generation: unglaublich in seiner Gesamtwirkung! Nicht nur stimmlich einnehmend, sondern auch in puncto Charme und Bühnenpräsenz. Ich bewunderte seinen Figaro, weil er ein faszinierendes Charisma hatte.

Wieweit hinterlassen solche Aufführungen einen bleibenden Eindruck? Oder anders gefragt: Hören Sie sich beim Studium einer Rolle Interpretationen einzelner Sänger an?

Luca Pisaroni: Natürlich mache ich das! Ich glaube, das sollte man als Sänger machen – und es ruhig auch ehrlich zugeben. Ich persönlich glaube jenen nicht, die sagen, sie hörten sich nichts an, um die eigenständige Interpretation nicht zu beeinflussen. Es wäre auch nicht sehr klug… Wenn jemand Maler werden will, muss er sich mit der Malerei anderer beschäftigen. Wenn jemand Schriftsteller werden will, muss er auch Bücher anderer lesen. Und wenn jemand Sänger werden will, muss er sich eben mit anderen Sängern auseinandersetzen. Man hört sich diese Aufnahmen ja nicht an, um sie zu kopieren, sondern um Erfahrungen zu sammeln. Manches gefällt einem, anderes versucht man zu vermeiden. Ich für meinen Teil studiere die Aufnahmen darüber hinaus auch, um die Tradition kennen zu lernen. Wobei mich Live-Einspielungen mehr interessieren, weil sie näher an der Wahrheit sind. Im Studio kann man doch einiges manipulieren.

Um beim Studieren und Interpretieren zu bleiben: Wieweit holen Sie sich gelegentlich bei Ihrem Schwiegervater Thomas Hampson Rat ein?

Luca Pisaroni: Ich bitte ihn ein- oder zweimal im Jahr, sich eine meiner Auftritte anzuschauen. Er ist sehr lange im Geschäft und hat ein enormes Wissen über das Singen. So sind sein Rat und seine Meinung – vor allem bei für mich neuen Rollen – sehr wertvoll. Ein Beispiel: Ich werde heuer erstmals den Conte d’Almaviva in Le nozze di Figaro singen. Thomas Hampson hat ihn unter weltbesten Dirigenten und Regisseuren gesungen – von ihm kann man wirklich die Praxis auf höchstem Niveau erfahren. Ich habe also wirklich ein großes Glück! Es gibt auch ganz allgemein eine ganz wichtige Sache, die mir Thomas Hampson immer wieder einschärft: „Du kannst es niemals ganz richtig machen. Du kannst nur lernen, immer weniger Fehler zu machen“. Das ist für alle Sänger wesentlich, denn niemand ist perfekt. Man muss sein Bestes geben, und mit zunehmender Erfahrung wird man lernen, Fehler zu vermeiden.

Um sein Bestes zu geben, braucht man auch einen guten Tag – wie sieht bei Ihnen ein Aufführungstag aus?

Luca Pisaroni: Ich plane ihn nicht, ich versuche nichts Ungewöhnliches zu machen. Guter Schlaf in der vorhergehenden Nacht ist natürlich wichtig; dann gehe ich mit meinem Hund spazieren. Ich mache ein Workout, am Nachmittag schlafe ich ein wenig – das gibt mir mehr Kraft für den Abend. Ich gehöre nicht zu jenen, die einen Tag lang nicht sprechen, sondern versuche mich ganz natürlich zu verhalten. Es gibt aber keine speziellen Abläufe, die ich einhalten muss, ich muss auch nicht ein besonderes Glücks-Hemd tragen oder etwas in der Art. Das würde mein Leben zu kompliziert machen. Und zum Thema „ guter Tag“: Thomas Hampson sagt immer: Wenn man nur an jenen Abenden singen würde, an denen es einem wirklich großartig geht, dann würde man auf nur zehn Auftritte im Jahr kommen. Es muss eben auch dann gehen, wenn man sich nicht hundertprozentig fit fühlt.

Das klingt nach einer sehr ausgeglichenen Persönlichkeit. Sind Sie vor Aufführungen eigentlich nervös?

Luca Pisaroni: Selten. Natürlich hängt es immer vom Haus ab und der Situation. Aber ich bin nicht der Typ von Sänger, der viel Zeit in seine Garderobe verbringt – sinnierend und sich Sorgen machend. Und wenn ich aufgeregt bin, dann verschwindet dieses Gefühl zumeist, sobald ich auf der Bühne stehe.

Mozarts Nozze di Figaro ist eine Opera buffa. Aber ist der Figaro wirklich eine immer nur komische Rolle?

Luca Pisaroni: Nein, absolut nicht. Figaro glaubt im vierten Akt tatsächlich, dass Susanna ihn mit dem Grafen betrügt. Da ist an seinem Zorn alles echt, keine Komik! Und zuletzt, wenn der Graf um Verzeihung bittet: das ist tiefgründig, die Komödie hat ein Ende. Die Musik ist an dieser Stelle echt und wahr, sie sagt etwas über das Leben aus. Ich denke nicht, dass Mozart das komisch gemeint hat.

Zuletzt: Worin liegt die Herausforderung in der Partie des Figaro?

Luca Pisaroni: Es ist zunächst eine lange Oper, und man muss versuchen, möglichst frisch in den vierten Akt zu kommen. Jeder kennt natürlich die Arien, aber eine große Herausforderung sind die Rezitative. Das Schwierige ist weniger, sich die Noten zu merken, sondern man muss in der Lage sein, seine Gefühle und die Stimmungen Figaros mit der Stimme auszudrücken zu können. AL